Von: Prof. Dr. Klaus Wehrt
Bei den Sparkassen heißen sie Prämiensparvertrag, in anderen Instituten Sparplan, Bonus-Sparplan oder schlicht Bonussparen. Ausschlaggebend ist jedoch nicht der Name, sondern die Art der Verzinsung des Guthabens auf einem zu diesem Zweck eingerichteten Konto oder Sparbuch. Sie sollten sich angesprochen fühlen, wenn Ihnen Ihr Sparvertrag in den Jahren ab 2019 gekündigt wurde und der Vertrag die folgenden Merkmale aufweist:
Seinerzeit, als Sie Ihren Sparvertrag abschlossen, wurde Ihnen mit einer gleichlautenden oder ähnlichen Formulierung der Sparbuch- bzw. Sparkontozinssatz angegeben:
„Die Sparanlage wird variabel, z. Zt. mit 2,5 % p.a., verzinst.“
Die Höhe dieses Zinssatzes ist dabei nicht maßgeblich. Es könnte dort auch 3%, 4% oder nur 1,5% – oder was auch immer – gestanden haben.
Auf die im Laufe eines Jahres eingezahlten monatlichen Sparbeiträge sollte einmal im Jahr eine Sparprämie oder ein Bonus gezahlt werden, in den ersten Jahren nur wenige Prozent, aber ab dem 15. Sparjahr häufig 50%, bei einigen Instituten sogar noch mehr. Der Bonussatz stieg über die Jahre hinweg immer weiter an und folgte dabei einer fest vorgegebenen Staffel.
Die unter Nr. 1 aufgeführte Zinsanpassungsregel hatte der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 06.10.2021 (BGH XI ZR 234/20) als den Sparkunden benachteiligend eingestuft und sie daher für unwirksam erklärt. Der BGH begründete die Unwirksamkeit damit, dass der Kunde quasi dem Diktat der Sparkasse ausgeliefert sei, wenn diese nach ihrem Gutdünken die Verzinsung anpassen könne, ohne gezwungen zu sein, sich an der Veränderung der allgemein marktüblichen Zinsen zu orientieren. Dazu habe sie ihre Zinsanpassungen in den Prämiensparverträgen mit der Veränderung der Verzinsung von Spar- oder Wertpapieranlagen zu begründen, die von der Deutschen Bundesbank in ihrer Statistik ausgewiesen werden, was die Zinsveränderung überprüfbar macht. Zinserhöhungen habe sie an die Kunden über eine erhöhte Prämiensparverzinsung weiterzugeben, Zinssenkungen berechtigen sie, den Prämiensparzinssatz in der gleichen Weise abzusenken.
Dabei sei ein stets gleicher prozentualer Abstand zwischen dem Zinssatz des Bonus- oder Prämiensparplans und der Bundesbankreihe einzuhalten. Wurde also bspw. der Sparzins bei Vertragsschluss mit 2% angegeben und zeigte die Bundesbankreihe zum gleichen Zeitpunkt einen Zinssatz von 3%, so beläuft sich der Sparzinssatz auf zwei Drittel des Vergleichszinssatzes. Er wäre damit auf 3% anzuheben, sobald der Bundesbankzinssatz auf 4,5% angestiegen wäre. Sinkt der Bundesbankzinssatz dagegen auf 2,7%, so darf der Sparzinssatz auf 1,8% abgesenkt werden.
Wenn der Bundesgerichtshof eine Klausel in einem Vertrag für unwirksam erklärt, so wird diese Klausel aus dem Vertrag herausgestrichen. Damit aber fehlt dem Vertrag ein wesentliches Element, nämlich eine Festlegung darüber, wie der Sparzinssatz an veränderte Marktsituationen anzupassen ist. Ohne eine die entstandene Vertragslücke schließende Klausel wäre der Vertrag sinnentstellt, denn er würde damit über die gesamte Vertragslaufzeit hinweg den ursprünglich vereinbarten Sparzinssatz als Festzinssatz vorsehen. Das aber wollten weder die Bank noch der Kunde.
Daher schauen die Gerichte stets auf die Situation bei Vertragsschluss zurück und stellen sich die Frage, welche andersartige vertragliche Zinsanpassungsregel typische Sparer und typische Geldhäuser miteinander vereinbart hätten, wäre ihnen bereits bei Vertragsschluss bewusst gewesen, dass die tatsächlich im Vertrag ausgewiesene Zinsanpassungsvorschrift unwirksam ist. Man nennt dieses Vorgehen des nachträglichen Schließens einer im Vertrag entstandenen Lücke: Ergänzende Vertragsauslegung.
Entschieden hatte der Bundesgerichtshof über den Prämiensparvertrag einer Sparkasse, doch das Urteil lässt sich auf alle übrigen Sparvertragsformen mit den oben genannten Merkmalen übertragen. Welche ergänzende vertragliche Zinsanpassungsvorschrift in den Vertrag Einzug hält, hat er allerdings offengelassen und diese Entscheidung den im Einzelnen mit diesen Verträgen befassten Gerichten überlassen. Allerdings hat er für das Schließen der Vertragslücke Leitplanken festgelegt. Danach haben die Gerichte folgende Vorgaben zu beachten:
Welche Bundesbankreihe für das Schließen der Vertragslücke als Referenzreihe heranzuziehen ist, hat der BGH bewusst offengelassen und die Antwort auf diese Frage von der speziellen Ausgestaltung des einzelnen Sparvertrags abhängig gemacht. Den Gerichten hat er zusätzlich empfohlen, sich dafür von sachverständiger Seite beraten zu lassen.
Dieser Sachverstand ist auf unserem Portal „zinserstattung.de“ durch mich, Prof. Dr. Klaus Wehrt, vertreten. Ich arbeite seit 30 Jahren im Bereich der Bank- und Finanzmathematik, werde von Kunden und Gerichten mit gutachterlichen Tätigkeiten beauftragt und publiziere regelmäßig in den einschlägigen Wissenschaftsjournalen des Bankrechts und der Finanzmathematik.
Welche Regelung der Zinsanpassung hätten Sparer und Geldinstitut vereinbart, sofern sie das Thema der Zinsanpassung schon damals – bei Vertragsschluss – zum Gegenstand ihrer Verhandlungen gemacht hätten? Diese Frage lässt sich für den Problemkreis vieler Sparkassenverträge relativ einfach beantworten, denn sie wurden mit Versprechen wie folgt beworben:
„Sie alleine bestimmen, wie lange Sie sparen wollen.“
Darunter wurden sodann Beispielrechnungen präsentiert, die von 25jährigen Sparzeiträumen ausgingen. Mithin bot die Sparkassenwelt ihren Kunden eine mindestens 25jährige Verzinsung an. Jeder einzelne Ansparbetrag von bspw. monatlich 100 EUR wäre danach im Durchschnitt für mindestens 12,5 Jahre angelegt worden. Wenn der Vertrag keinen Endzeitpunkt oder einen Endzeitpunkt nach Ablauf der 25 Jahre vorsah, so wäre möglicherweise auf 30 Jahre oder mehr abzustellen. Die oben mit 12,5 Jahren fixierte Durchschnittsaussage für einen 25jährigen Planungszeitraum würde allerdings nur gelten, wenn die am Jahresende fälligen Zinsen an die Kunden direkt wieder ausgeschüttet worden wären. Tatsächlich verblieben sie jedoch auf dem Sparkonto und erhöhten das Sparkapital. Am Ende jedes weiteren Folgejahres wurden diese Zinsen abermals verzinst, weil sie dem Sparkapital hinzugefügt worden waren, der sog. Zinseszinseffekt. Und auf das Sparkapital bereits ausgezahlten Sparprämien trugen zum Zinseszinseffekt bei. Mithin kann eine im Durchschnitt geltende 12,5-Jahresverzinsung, allenfalls als Untergrenze für die von den Sparkassen den Kunden suggerierte Anlagedauer eines durchschnittlichen Sparbeitrags gelten.
Die Erwartungsbildung der Kunden über die Laufzeit dieser Verträge wurde natürlich von den Werbeversprechen der Institute geprägt. Insoweit gingen sie wie die Sparkassen davon aus, dass derartige Verträge mindestens 25 Jahre bestehen würden – vorher hätte die Kündigung wegen des Verlustes einer 50%-Sparprämie ab dem 15. Jahr keinen Sinn ergeben.
Im Ergebnis vertrauten sowohl die Kunden als auch die Institute auf eine mindestens 25jährige Vertragsdauer. Vor diesem Hintergrund wird eigentlich allen irgendwie gearteten Bundesbank-Referenzreihen, die eine kürzere Verzinsungsdauer als mindestens 12,5 Jahre vorsehen, eine Absage erteilt.
Im Einzelfall mag eine 13-, 14-, 15- oder gar eine Reihe mit noch längeren Anlagezeiträumen maßgeblich sein. Die Deutsche Bundesbank veröffentlicht allerdings als Monatsreihen maximal solche mit 15-Jahres-Anlagehorizont. Im Bereich tagesgenauer Sätze reicht das Spektrum allerdings bis zu Anlagedauern von 20 Jahren. Eine entsprechende Referenzreihe, die auf monatliche Sätze umzurechnen wäre, könnte somit je nach Anlagehorizont auch die folgende sein:
BBSIS.D.I.ZST.ZI.EUR.S122.B.A100.R20XX.R.A.A._Z._Z.A
Zinsstrukturkurve (Svensson-Methode) / Hypothekenpfandbriefe und Öffentliche Pfandbriefe / 20,0 Jahr(e) RLZ / Tageswerte
Problematischer wäre es Reihen heranzuziehen, die sich mit Bundeswertpapieren befassen, dieses vor dem Hintergrund, dass sich das Publikum der Nachfrager von Bundeswertpapieren nicht nur aus nationalen, sondern auch internationalen Anlegern speist und sich damit evident von den nationalen Pfandbriefgläubigern unterscheidet. Allerdings werden anders als für andere Wertpapieranlagen die Monatsrenditen der Bundeswertpapiere sogar für Laufzeiten von 21, 22, …., 29 und 30 Jahren in der Statistik ausgewiesen. Für solche Fälle, in denen sich somit eine durchschnittliche Anlagedauer von den Erwartungen bei Vertragsschluss ausgehend von mehr als 20 Jahren nachweisen ließe, kämen diese Wertpapierreihen – trotz abweichenden Anlegerpublikums – wieder als Referenzreihe ins Spiel.
Viele Gerichte beauftragten mittlerweile Sachverständige, die sich der Frage widmen sollten, welche Bundesbankreihe sich als Referenzreihe für die Vornahme von Zinsanpassungen als die am geeignetsten erweisen würde. Dabei hatten sich die Sachverständigen grundsätzlich mit drei Fragestellungen zu befassen:
Mir ist kein einziges Sachverständigengutachten bekannt, indem der Gutachter sich der Aufgabe stellte, die bestehende Vertragslücke durch ergänzende Vertragsauslegung zu schließen. Eigentlich wäre es ohnehin die Aufgabe des Gerichts gewesen, dem Gutachter im Beweisbeschluss vorzugeben, nach welchen Gesichtspunkten der ergänzenden Vertragsauslegung die Reihenauswahl zu erfolgen habe.
Die meisten Sachverständigen haben sich deshalb den Einzahlungsstrom des Sparers angeschaut und sich gefragt, wie lange die einzelne Ansparrate durchschnittlich auf dem Sparkonto gelegen hat. Da nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung ein Kündigungsrecht der Geldinstitute nach dem Erreichen der höchsten Prämienstufe, bei Sparkassen regelmäßig nach 15 Jahren (BGH XI ZR 345/18), rechtlich nicht beanstandet werden kann, gelangten Experten bspw. zu einer Referenzreihe für Bundeswertpapiere, die durchschnittliche Anlagedauern von 8 bis 15 Jahren abdeckte.
Offensichtlich haben sich die Gerichte – wie auch die Sachverständigen – von der Idee leiten lassen, dass eine Sparkasse ohnehin nach 15 Jahren berechtigt sei, den Vertrag zu kündigen. Mithin wäre die höchstmögliche Anlagedauer 15 Jahre. Weil aber zumindest die Hälfte der Raten weniger als 7,5 Jahre auf dem Konto weilt, sei es ebenfalls angemessen, eine untere Grenze zu finden, die sich mit der Vorgabe des BGH nach einer Langfristanlage decke. Daher passe das Laufzeitintervall von 8-15 Jahren perfekt.
Diese Sachverständigen haben das Problem der Reihenauswahl rein finanztechnisch gelöst, indem sie auf die einzelne Rate blickten und ihre durchschnittliche tatsächliche Anlagedauer bis zur bankseitigen Kündigung im Blick hatten. Der so gewählte Ansatz hat aber nichts mit einer ergänzenden Vertragsauslegung zu tun, denn dafür kommt es nicht auf die tatsächliche Verweildauer bis zur ersten Kündigungsmöglichkeit an, sondern auf den von Bank und Kunde gemeinsam als Vertragsgrundlage erwarteten Anlagehorizont und der liegt wie oben gezeigt, für typische Sparkassen, die entsprechende Werbeprospekte aushändigten, mindestens bei 12,5 Jahren.
Daher ist ein Ansatz, der auf den Zeitpunkt der erstmöglichen Kündigung blickt, abzulehnen. Bisweilen wird auch von gutachterlicher Seite argumentiert, es gäbe Bundesbankreihen, verwiesen wird auf BBK01.SUD105 (Effektivzinssätze von Einlagen privater Haushalte mit dreimonatiger Kündigungsfrist), welche schon in der Vergangenheit auch die entsprechenden Zinsaufschläge von Bonuszahlungen und Sparprämien mit berücksichtigten, daher sei diese Reihe geradezu das Spiegelbild der Prämiensparverträge. Das ist aus mehreren Gründen nicht zutreffend:
Als Gleitzinssatz wird ein Zinssatz bezeichnet, der nicht der aktuellen Monatsrendite für das entsprechende Wertpapiergeschäft entspricht, sondern einen Mittelwert darstellt, der über einen längeren Zeitraum auf der Basis der Monatsrenditen gebildet wird. Vielfach wird auf eine über 120 oder 60 Monate geglättete Rendite abgestellt. Da für eine aktuelle Zinsanpassung Zukunftsrenditen nicht herangezogen werden können, geht der Blick stets zurück in die Vergangenheit. Dann aber informiert die 120-Monate-Glättung über einen Gleitzinssatz, der vor 60 Monaten galt, bei einer 60-Monate-Glättung ist der errechnete Renditenwert für einen Zeitpunkt vor 30 Monaten, also zweieinhalb Jahren, gültig.
Werden Prämiensparverträge mit Gleitzinsrenditen abgeglichen, so ist die aktuelle Verzinsung nicht den aktuellen Veränderungen der Anlagerenditen auf dem Markt geschuldet, sondern der durchschnittlichen Veränderung vor 30 bzw. 60 Monaten. Die Zinsanpassungen laufen dann den tatsächlichen Veränderungen der Marktverzinsungen hinterher.
Weil sich die Renditen über die letzten 30 Jahre fast durchweg im Sinkflug befanden – die Anlagezinsen sind seit dem Jahr 1990 von 9,1% (zehnjährige Inhaberschuldverschreibungen) auf die Nullmarke und sogar darunter abgesunken (2019 bis 2021) – spielen Gleitzinsbetrachtungen dem Erstattungsanspruch des Sparkunden, dessen Vertrag zwischen 2019 und 2021 gekündigt wurde, häufig in die Karten. Doch jedem unvoreingenommenen Betrachter wird sofort offensichtlich, dass ein Teil dieses Erstattungsanspruchs nicht das Ergebnis einer Falschabrechnung durch die Sparkasse sein kann, sondern das Resultat einer der den tatsächlichen Entwicklungen nachlaufenden Gleitzinsreihe. Es bleibt höchst zweifelhaft, ob diese Berechnungsweise vor den Gerichten standhalten wird.
Zudem gibt es auch 25jährige Vertragsvarianten, so solche Verträge, die von der Postbank nach der Jahrtausendwende als Postbank-Sparplan verkauft wurden. Weil diese Verträge erst im 25. Jahr die höchste Prämienstufe erklimmen, dürfen sie auch erst ab dem Jahr 2026 von der Postbank gekündigt werden. Da aber zwischenzeitlich die Anlagezinsen von unter 1% auf über 4% angestiegen sind, würden die Postbankkunden – setzte sich die Gleitzins-Rechnungsweise über 120 Monate durch – ihre Verträge noch mindestens für vier Jahre mit den Magerzinsen der Jahre 2015 bis 2020 (5-Jahresverzögerung des Gleitzinssatzes) verzinst bekommen. Und selbstverständlich existieren daneben auch noch die Neuabschlüsse aus den Jahren 2021 bis heute.
Es steht nicht im Widerspruch zu einer ergänzenden Vertragsauslegung die Referenzrenditen gleichzeitig mehreren Bundesbankreihen zu entnehmen, sofern sie z.B. unter einem Vertragshorizont von 25 Jahren die einzelnen Referenzreihen in einer Weise gewichten, die der bei Vertragsschluss erwarteten Anlagedauer jedes einzelnen Euros am gesamten Sparvolumen entspricht. Das bedingte wahrscheinlich für viele Einzelverträge eigene detaillierte Berechnungen. Nichtsdestoweniger wäre diese Form der Berechnung wohl die exakteste.
Im Vergleich zur Benutzung einer einzelnen Referenzreihe, welche die durchschnittliche Anlagedauer der einzelnen Sparbeiträge unter dem 25-Jahres-Horizont des Vertrags einigermaßen adäquat abbildet, dürfte allerdings der Genauigkeitsgewinn kaum relevant sein. Daher wäre ein solches Vorgehen rechnerisch wohl zu aufwendig.
Prof. Dr. Klaus Wehrt
Prof. Dr. Klaus Wehrt ist parteiunabhängiger Sachverständiger und erstellt Privat- sowie Gerichtsgutachten zu Finanzierungsverläufen.
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