Von: Prof. Dr. Klaus Wehrt
Prämiensparverträge oder Bonussparverträge sind für lange Laufzeiten von teilweise über 25 Jahren geplant. Der Sparer zahlt monatlich gleichhohe Beträge ein und erhält neben dem veränderlichen Sparbuchzins zusätzlich die Sparprämie. Sie berechnet sich nach den im gerade beendeten Kalenderjahr erbrachten Einzahlungen auf das Sparkonto.
Häufig erst ab dem dritten Jahr wird eine Prämie überhaupt gezahlt. Sie notiert in den ersten fünf Jahren noch bei geringen Sätzen von 3-5% auf die Einzahlungen eines Jahres, steigt aber ab dem 10. Jahr in große Höhen von 30, 35, 40, 45 und 50% auf. Im 15. Jahr erklimmt sie zumeist ihr Maximum und verharrt in den Folgejahren auf diesem Niveau.
Das OLG Naumburg entschied mit Urteil vom 08.02.2023 (Az. 5 MK 1/20) in einem vom Verbraucherzentralen Bundesverband e.V. angestrengten Musterklageverfahren über die Zinsberechnung in derartigen Verträgen. Wieder einmal ging es um den Zinsanpassungsmechanismus nach festgestellter rechtswidriger Zinsklausel – der Klassiker:
„Die Spareinlage wird variabel, z. Zt. mit …..% p.a. verzinst“
Die von den Verbraucherschützern geforderte Rückabwicklung derartiger Sparverträge wurde genauso verworfen, wie deren Verzinsung mit dem anfänglichen Sparzins als Festzins.
Am Ende ging es dann nur noch um die Frage der Zinsanpassung. Über die Antworten auf einige dieser Fragen bestand ohnehin schon seit dem BGH-Urteil vom 06.10.2021 Klarheit:
Das OLG Naumburg lehnt die Verwendung von Referenzzinsreihen, die auf einer Gleitzinssatzbildung – das fordern die Verbraucherschützer – beruhen, insbesondere für Altverträge deshalb ab, weil keinem Sparer zugemutet werden könne, dass er seinen jeweils monatlich variierenden Referenzzinssatz aus 120 zu glättenden Einzelwerten nachkalkuliert.
Auch aus meiner sachverständigen Sicht lehne ich einen Gleitzinssatz eher ab. Ein auf 120 Monaten basierender Gleitzinssatz schleppt sich der aktuellen Zinsentwicklung noch 60 Monate hinterher. Hier offenbart sich der Opportunismus der Verbraucherzentralen vor dem Hintergrund fast 30 Jahre lang sinkender Zinsen. Die Sparer bereits gekündigter Verträge würden von der Anwendung einer Gleitzinsreihe fast durchweg profitieren. Diesen Sparern stehen aber ungekündigte Kunden gegenüber, deren Verträge die höchste Prämienstufe noch nicht erreicht haben. Unter einer Gleitzinsanwendung hätten sich diese Kunden nur auf eine allmähliche Zinssteigerung einzustellen.
Hinzukommt, dass die innere Mechanik gleitzinsangepasster Sparzinsen eher von den Geldhäusern als von den Privatanlegern durchschaut wird. Die Institute werden deshalb bei Neuverträgen in Situationen erwarteter Zinssteigerungen eher Verträge mit gleitender Zinsanpassung anbieten, bei sinkenden Zinsen dagegen Verträge mit sich punktuell verändernden monatlichen Sätzen unterbreiten. Banken und Sparkassen würden somit ihre Informationsvorsprünge zum eigenen Vorteil zu nutzen wissen. Daher empfiehlt es sich möglicherweise, AGB-Klauseln in Sparverträgen, die Gleitzinsreihen als Referenz der Zinsanpassung vorsehen grundsätzlich als unwirksam einzustufen.
Zu den Grundsätzen der ergänzenden Vertragsauslegung gehört es, unter einem objektiv-generalisierenden Maßstab die typischen Vorstellungen und Interessen der am Vertrag beteiligten Verkehrskreise in ihrer Situation beim Vertragsschluss in Erfahrung zu bringen.
Mit dem Abschluss wünschen die Vertragspartner ihren Nutzen im Vergleich zu einer vertraglosen Situation zu mehren. Die Unternehmen schließen gleichartige Verträge mit einer Vielzahl von Kunden ab.
Kunden vereinbaren dagegen die unterschiedlichsten Verträge jeweils nur einmalig. Das gilt auch für den Prämiensparvertrag.
Die Vertragsgestaltung durch die Unternehmen und die Genehmigung dieser Verträge durch die Verbraucher ist das Ergebnis einer Arbeitsteilung zwischen ihnen. Den Gerichten ist mit dem Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen die Aufgabe übertragen, die Formularverträge auf ihre Vereinbarkeit mit dem bürgerlichen Recht zu prüfen.
Vor diesem Hintergrund erfolgte auch die Prüfung vor dem OLG Naumburg. Anschließend war die entstandene vertragliche Lücke zu schließen.
Das OLG Naumburg erachtete es allein als interessengerecht, als Referenzzins einen Satz zugrunde zu legen, der „auf ein langfristiges Sparen bis zum Ablauf des 15. Sparjahres ausgerichtet“ ist.
Tatsächlich wurden die Sparverträge dagegen regelmäßig mit Beispielsrechnungen, die über 25 Jahre reichten, beworben. Sie enthielten Werbeaussagen der Art: „Sie allein bestimmen, wie lange Sie sparen wollen.“ Derartige Werbeversprechen hatten die Erwartungshaltung typischer Prämiensparkunden in Richtung auf eine 25jährige Vertragsdauer gelenkt.
Die vom OLG Naumburg favorisierte Reihe mit einer Anlagedauer von 8-15 Jahren scheint dagegen eher auf eine maximale Verweildauer des einzelnen Sparbeitrags bis zur ersten sparkassenseitigen Kündigungsmöglichkeit nach 15 Jahren konditioniert zu sein.
Dagegen ist es schon vom Ausgangspunkt her für eine ergänzende Vertragsauslegung nicht adäquat, auf ein langfristiges Sparen nur über 15 Jahre abzustellen. Die typische Erwartungshaltung durchschnittlicher Sparer dürfte durch die bankseitigen Werbeaussagen geprägt sein. Sparer haben deshalb auf eine mindestens 25jährige Vertragsdauer vertraut.
Daraus ist jedoch nicht voreilig zu schließen, dass nur 25jährige oder sogar noch länger laufende Reihenangebote in Betracht kommen. Prämiensparverträge werden regelmäßig mit einheitlichen monatlichen Sparbeiträgen angespart. Der einzelne Sparbeitrag verweilt unter einer 25jährigen Vertragsdauer somit ziemlich genau 12,5 Jahre auf dem Sparkonto. Eine geeignete Referenzreihe hat somit einen Anlagehorizont in dieser Mindestlänge zu reflektieren
Prof. Dr. Klaus Wehrt
Prof. Dr. Klaus Wehrt ist parteiunabhängiger Sachverständiger und erstellt Privat- sowie Gerichtsgutachten zu Finanzierungsverläufen.
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